Kirchliches Arbeitsrecht

Kirchenmitgliedschaft? Es geht auch ohne!

Kasseler Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht

Müssen Beschäftigte kirchlicher Träger konfessionell gebunden sein? Diese Frage sorgt in etlichen Einrichtungen von Diakonie und Caritas weiterhin für Unruhe. Eine Lösung haben Mitarbeitervertreter und Management nun in der Evangelischen Stiftung Alsterdorf gefunden: In einer Dienstvereinbarung wird die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche zwar als "wünschenswert" bezeichnet, sie gilt für ein Beschäftigungsverhältnis aber nicht länger als zwingend. "Das nimmt den Druck raus", erklärte Andreas Loeding, MAV-Vorsitzender der Alsterdorf Assistenz Ost, der die Vereinbarung bei der 14. Kasseler Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht am 13. November vorstellte.

Kasseler Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht

Prekär im Job, arm im Alter

Die christlichen Kirchen in Deutschland werden nicht müde, vor drohender Altersarmut zu warnen. Zu Recht. Doch bei ihren eigenen Beschäftigten sorgen sie selbst dafür, dass Menschen von Armut im Alter betroffen sein werden. Das belegt eine Erhebung der Zeitschrift Arbeitsrecht und Kirche, die der Redakteur und Rechtsanwalt Bernhard Baumann-Czichon bei der 14. Kasseler Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht am 12. November vorstellte.

Rund 3.000 Beschäftigte kirchlicher Gesundheits- und Sozialeinrichtungen haben sich an der Onlinebefragung beteiligt. Ihre Antworten bestätigen in vielerlei Hinsicht die Einschätzungen und Befürchtungen der rund 250 betrieblichen Interessenvertreter, die auf Einladung von Arbeitsrecht und Kirche, ver.di, der Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaften der Mitarbeitervertretungen in der Diakonie (buko agmav + ga) sowie der Diakonischen ArbeitnehmerInnen Initiative (dia e.V.) in Kassel zusammenkamen. Die Ergebnisse machen klar: Wie in anderen Teilen des Gesundheits- und Sozialwesens leiden auch Beschäftigte von Diakonie, Caritas und Verfasster Kirche unter prekären Arbeitsverhältnissen, die tausendfach zu Altersarmut führen werden.

Betroffen sind vor allem Frauen. Das gilt beispielsweise für Befristungen, die einen Anteil von neun Prozent ausmachen. Zwei Drittel der befristet Beschäftigten sind weiblich. Auch unter 35-Jährige sind weit überproportional befristet angestellt. "Daraus erwächst ein großes gesellschaftliches Problem, denn diese Unsicherheit belastet die Phase der Familiengründung", warnte Baumann-Czichon. Befristungen erhöhten zudem das Risiko gebrochener Erwerbsbiographien - und damit von Altersarmut.

Kasseler Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht

Ruinöser Wettbewerb

Es war ein dramatischer Fall, von dem ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler den rund 250 Teilnehmer/innen der 14. Kasseler Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht am 12. November berichtete: Eine Pflegehelferin in einem Heim des privaten Trägers "Casa Reha", an einem Sonntag allein mit 21 Bewohnern, die sich nicht anders zu helfen weiß, als den Notruf 112 zu wählen. Ein dramatischer Fall, aber kein Einzelfall. Und kein Zufall. "Wir wissen, dass in vielen Einrichtungen an fast jedem Tag ein Notruf abgesetzt werden müsste", sagte Bühler. Als Ursache benannte sie den "ruinösen Unterbietungswettbewerb", der sich im Gesundheits- und Sozialwesen infolge politischer Entscheidungen entwickelt hat.

Von der marktwirtschaftlichen Preiskonkurrenz besonders betroffen ist die Altenhilfe - mit drastischen Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen und Bezahlung. Bühler verwies in diesem Zusammenhang auf eine aktuelle Studie der Universität Witten-Herdecke, wonach Beschäftigte in deutschen Pflegeheimen nachts für durchschnittlich 51,6 Bewohner/innen zuständig sind, von denen fast ein Drittel an Demenz leidet. "Es ist erbärmlich, dass Menschen mit einer solchen Verantwortung allein gelassen werden", kritisierte die Gewerkschafterin. Auch Tarifverträge seien in der Altenhilfe inzwischen eher die Ausnahme. Das zu ändern, werde allein mit gewerkschaftlichen Mitteln auf absehbare Zeit nicht gelingen, gab Bühler zu bedenken. Deshalb setze ver.di auf die Schaffung allgemeinverbindlicher Tarifverträge, die auch bei nicht-tarifgebundenen Trägern wirken.

Bei manchen Arbeitgebern stößt die Gewerkschaft mit diesem Vorhaben auf offene Ohren. So bei Rifat Fersahoglu-Weber, Vorsitzender des AWO-Bezirksverbands Braunschweig und des bundesweiten Arbeitgeberverbands der Arbeiterwohlfahrt. Auf der von der Zeitschrift Arbeitsrecht und Kirche gemeinsam mit ver.di, der Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaften der Mitarbeitervertretungen in der Diakonie (buko agmav + ga) sowie der Diakonischen ArbeitnehmerInnen Initiative (dia e.V.) organisierten Tagung sprach er sich klar gegen einen Wettbewerb um die niedrigsten Lohnkosten aus.

14. Kasseler Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht: Gute Arbeit – schlechte Bedingungen?

Am 12./13. November findet die 14. Kasseler Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht statt. Unter dem Titel "Gute Arbeit – schlechte Bedingungen?" wird das Arbeitsrecht bei Kirche und Diakonie unter die Lupe genommen. Für ca. 1,2 Mio. Beschäftigte in Diakonie, Caritas und den verfassten Kirchen gilt kirchliches Arbeitsrecht. Dazu zählen besondere Loyalitätspflichten, vor allem aber die Regelung der Arbeitsbedingungen im Rahmen des sog. Dritten Weges. Was bedeutet das für die Beschäftigten?

Der Kirchengerichtshof der EKD verpflichtet insbesondere diakonische Einrichtungen zu einer kirchengemäßen Behandlung der Beschäftigten. Er verbietet ersetzende Leiharbeit und verlangt die strikte Anwendung kirchenrechtlich legitimierter Arbeitsbedingungen. Das gilt für alle, die den kirchlichen Auftrag erfüllen, auch wenn sie z.B. im Rahmen eines Werkvertrags tätig sind. Der diakonische Arbeitgeberverband VdDD hält dagegen: Was einem weltlichen Unternehmen erlaubt ist, könne einem diakonischen nicht verwehrt werden.

Arzt nach zweiter Heirat entlassen

Bundesverfassungsgericht kassiert Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Laut Bundesverfassungsgericht durfte ein katholisches Krankenhaus einem Chefarzt kündigen, weil er nach einer Scheidung zum zweiten Mal geheiratet hat. Das Bundesverfassungsgericht hat mit der Bestätigung der Kündigung nun ein anderslautendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts aufgehoben.

Ein Jahrzehnt lang war der Kläger, der ein angesehener Krebsspezialist ist, Chefarzt des katholischen St.-Vinzenz-Krankenhauses in Düsseldorf, schreibt der DGB-Rechtsschutz. Nach der Scheidung von seiner Frau hat er seine neue Lebensgefährtin standesamtlich geheiratet. Darin sah das katholische Krankenhaus einen Loyalitätsverstoß und kündigte dem Arzt aus verhaltensbedingten Gründen fristgemäß. Dadurch, dass er nach der Scheidung seiner ersten Ehe eine zweite, standesamtliche Ehe eingegangen war habe er sich in Widerspruch zum römischkatholischen Eherecht gesetzt, argumentierte der Arbeitgeber.

Den vollständigen Artikel zu diesem unglaublichen Urteil gibt es bei verdi.de

Direkter Weg statt Dritter Weg - Verfassungsbeschwerde von ver.di

ver.di zieht fürs Streikrecht vor das Bundesverfassungsgericht

ver.di hat gegen die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum kirchlichen Arbeitsrecht Verfassungsbeschwerde eingelegt. „Weil das Bundesarbeitsgericht beim Arbeitskampfrecht als eine Art Ersatzgesetzgeber fungiert, halten wir es für zwingend notwendig, die vom BAG vorgenommene Einschränkung des Streikrechts für mehr als 1,2 Millionen Beschäftigte verfassungsrechtlich überprüfen zu lassen“, sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske in Berlin. Das BAG hatte in seinem Urteil im November 2012 das kirchliche Selbstordnungsrecht über das Grundrecht auf Streik gestellt. „Auch wenn ver.di aktuell in kirchlichen Einrichtungen streiken darf, wird uns das Streikrecht bei der Umsetzung der vom BAG festgelegten Bedingungen für den Dritten Weg dauerhaft bestritten“, so der ver.di-Vorsitzende. Zur vollständigen ver.di-Pressemitteilung vom 15.4.2013

Die Gründe von ver.di für die Verfassungsbeschwerde und die Bewertung der Begründung des BAG-Urteils sind (neben dem BAG-Urteil) auf der Materialseite zu finden oder können hier als PDF (176 KB) heruntergeladen werden.

Inhalt abgleichen