Kirchenmitgliedschaft? Es geht auch ohne!

Kasseler Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht

Müssen Beschäftigte kirchlicher Träger konfessionell gebunden sein? Diese Frage sorgt in etlichen Einrichtungen von Diakonie und Caritas weiterhin für Unruhe. Eine Lösung haben Mitarbeitervertreter und Management nun in der Evangelischen Stiftung Alsterdorf gefunden: In einer Dienstvereinbarung wird die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche zwar als "wünschenswert" bezeichnet, sie gilt für ein Beschäftigungsverhältnis aber nicht länger als zwingend. "Das nimmt den Druck raus", erklärte Andreas Loeding, MAV-Vorsitzender der Alsterdorf Assistenz Ost, der die Vereinbarung bei der 14. Kasseler Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht am 13. November vorstellte.

Bisher war in der Dienstordnung der Stiftung festgeschrieben, dass Beschäftigte Mitglied einer christlichen Kirche sein müssen. Dies entspreche "weder dem Inklusionsverständnis einer Evangelischen Stiftung noch den Herausforderungen bei der Personalgewinnung", heißt es im Vereinbarungstext. Es werde zwar weiterhin "angestrebt, dass die Mitarbeitenden Mitglieder der evangelischen Kirche oder einer anderen Kirche der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen sind". Zudem seien sie verpflichtet, das Leitbild der Stiftung zu beachten. Die Konfessionszugehörigkeit ist jedoch kein Muss mehr.

Massenaustritte: Fehlanzeige

Die Einigung ist Ergebnis langwieriger Diskussionen und vieler Auseinandersetzungen. "Vorher sind viele zähneknirschend in die Kirche eingetreten", berichtete Andreas Loeding. "Jetzt können sie frei entscheiden - das ist viel wert." Anders als von vielen erwartet, sei es nach Unterzeichnung des Vertrags nicht zu Massenaustritten gekommen. Der Rechtsanwalt und Organisator der Kasseler Fachtagung, Bernhard Baumann-Czichon, befand: "Die Loyalitätsfrage zum Gegenstand einer Vereinbarung zu machen, ist ein hervorragender Ansatz."

Auch Dierk Starnitzke, Vorstandssprecher der Diakonischen Stiftung Wittekindshof in Bad Oyenhausen, begrüßte den in Alsterdorf gefundenen Kompromiss. Dennoch sorgten seine Beiträge bei den rund 250 betrieblichen Interessenvertretern für Zündstoff. Empört reagierten viele auf Starnitzkes Aussage, er verstehe nicht, warum Beschäftigte bei ihrem kirchlichen Arbeitgeber blieben, wenn sie mit dessen Vorgaben unzufrieden sind. Auch seine Rechtfertigungen des "Konsensprinzips" und der in kirchlichen Einrichtungen geforderten "Loyalität" stießen auf Widerspruch.

Kirchenabeitsrecht ein Anachronismus

Eine Krankenschwester aus Trier berichtete, sie habe sich nach ihrer Ausbildung bewusst für ein städtisches Klinikum entschieden, dieses sei jedoch nach elf Jahren von einem diakonischen Träger übernommen worden. "Mich hat keiner gefragt, ob ich das will." Sie verwies darauf, dass diakonische Krankenhäuser nicht aus Kirchenmitteln, sondern fast vollständig aus Landeszuschüssen und Sozialversicherungsbeiträgen finanziert werden. "Vor diesem Hintergrund hat ein eigenständiges kirchliches Arbeitsrecht Null Berechtigung. Das ist ein Anachronismus hoch drei und absolut ungerecht."

Eine Mitarbeitervertreterin aus Berlin sagte, sie bleibe in ihrer diakonischen Einrichtung, "weil es bei den Privaten noch schlimmer ist". Oft sei es der Mangel an Alternativen, der Beschäftigte vom Arbeitgeberwechsel abhalte, nicht ihre christliche Überzeugung. Die Kollegin kritisierte insbesondere, dass MAV-Mitglieder konfessionsgebunden sein müssen. In manchen Einrichtungen in Berlin und Brandenburg gebe es deshalb kaum Beschäftigte, die für eine Mitarbeiter in der Interessenvertretung in Frage kämen.

Sogenannter Dritter Weg kein Konsensmodel

Mehrere Teilnehmer/innen betonten, die von der Kirchenspitze geforderte Loyalität dürfe keine Einbahnstraße sein. Die Geschäftsleitungen verhielten sich gegenüber ihren Belegschaften nämlich oft alles andere als loyal. Ein Kollege stellte klar, dass der sogenannte Dritte Weg kircheninterner Lohnfindung "das Gegenteil von Konsens" sei. "Ein Konsensmodell gibt es nur durch Tarifverträge, denn dafür sind gleichberechtigte Partner nötig."

Daniel Behruzi