Kein Wünsch dir was

Hessens Diakonie-Beschäftigte wollen endlich Tarifverträge

Die Auseinandersetzung um den »Dritten Weg« kircheninterner Lohnfindung erscheint als unendliche Geschichte. Das gilt auch für Hessen, wo am Mittwoch (25. November) gut 50 Beschäftigte vor der Synode in Frankfurt am Main für Tarifverträge demonstrierten - und das nicht zum erstem Mal. Dennoch: Die Dinge kommen in Bewegung, wenn auch nur langsam. Ein den Synoden in Hessen und Nassau sowie in Kurhessen-Waldeck zur Abstimmung vorliegendes Arbeitsrechts-Regelungsgesetz beinhaltet immerhin die Möglichkeit, Tarifverträge abzuschließen. Eine wirkliche Abkehr vom »Dritten Weg« bedeutet es jedoch nicht.

Man habe in dem Gesetzentwurf »von der kompletten Regelung aller Details abgesehen« und der Diakonie »in einem bestimmten Rahmen« die Entscheidung überlassen, erklärte der Vorsitzende des Rechtsausschusses der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Diethelm Harder. Bei den Demonstranten kam das nicht gut an. »Ein Springen zwischen den Systemen ist für uns nicht akzeptabel», betonte ver.di-Sekretärin Saskia Jensch. Denn in dem neuen Gesetz wird den Einrichtungen schlicht freigestellt, ob sie auf dem »Dritten Weg« weitergehen oder »kirchengemäße« Tarifverträge abschließen wollen. Berno Schuckart-Witsch von der ver.di-Bundesverwaltung verwies darauf, dass Letzeres zudem mit Auflagen wie Streikverzicht und Zwangsschlichtung verbunden werden soll. »Keine freie Gewerkschaft kann so etwas akzeptieren.«

Tarifverträge müssten in allen Bereichen möglich sein, forderte Hans Appel vom Gesamtausschuss der Mitarbeitervertretungen in Hessen und Nassau. Die Diakonie könne nicht wie bei einer »bad bank« lediglich dort gemeinsame Lösungen mit ver.di anstreben, wo sie mit besonderen Problemen konfrontiert ist - namentlich in der Altenhilfe. Appel erwartet auch praktische Schwierigkeiten, sollte das neue Gesetz tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden. Denn zum Beispiel der diakonische Gesundheitskonzern Agaplesion betreibt viele verschiedene Einrichtungen, vom Krankenhaus bis zum Pflegeheim, in denen dann womöglich unterschiedliche Regelungen gelten würden. »Eine solche Zwei-Klassen-Gesellschaft wollen wir nicht«, stellte der Beschäftigtenvertreter klar.

Beim Aufstellen neuer Regeln müssten die Arbeitsmarktparteien zudem frühzeitig eingebunden werden. »Die Spielregeln einseitig festzulegen und die Gewerkschaften danach zur Teilnahme einzuladen - das funktioniert nicht«, sagte Appel. Als Modell sieht er den kürzlich in Niedersachsen geschlossenen Tarifvertrag. »Niedersachsen hat gezeigt, dass die diakonische Welt durch Tarifverträge nicht zusammenbricht.«

Auch in anderen Regionen werden die Auseinandersetzungen um den »Dritten Weg« heftig geführt. So berichtete Wolfgang Lindenmaier von der Diakonie Württemberg, dass die Arbeitgeber die im Südwesten geltende automatische Übernahme von Tarifregelungen des öffentlichen Dienstes in Frage stellen. Beschäftigte gingen dort zu Wochenbeginn daher ebenfalls auf die Straße, um für einheitliche Tarifverträge zu demonstrieren. »Es muss auf Basis des TVöD einen gemeinsamen Tarifvertrag aller sozialen Träger in der Bundesrepublik geben«, forderte Lindenmaier, den hessischen Gewerkschaftern die solidarischen Grüße ihrer Kolleg/innen im Südwesten übermittelte.

Eberhard Schwarz vom Evangelischen Verein für Innere Mission in Nassau zeigte sich überzeugt, dass sich die Kirchen der Forderung nach Tarifverträgen auf Dauer nicht verschließen können. »Caritas und Diakonie sind mit die größten Arbeitgeber in der Bundesrepublik, aber sie beharren auf einem Arbeitsrecht wie im 18. Jahrhundert«, so der Gruppenleiter einer Werkstatt für behinderte Menschen in Wiesbaden. Der Umgang mit den eigenen Beschäftigten passe nicht zum sonstigen Auftreten der Kirchen in sozialen Fragen.

Die Altenpflegerin Branka Ivanisevic aus Neu-Isenburg kritisierte insbesondere die Bedingungen in der Altenhilfe. Die dort Beschäftigten würden bei der Lohnfestsetzung in den sogenannten Arbeitsrechtlichen Kommissionen benachteiligt. »Unser Haus hat zuletzt eine Viertelmillion Plus gemacht, trotzdem gilt für uns eine Notlagenregelung - das zeigt: Auf dem `Dritten Weg´ bestimmt der Arbeitgeber.« Auch Schuckart-Witsch von ver.di betonte: »Die Lohnpolitik der Arbeitsrechtlichen Kommissionen orientiert sich ausschließlich an betriebswirtschaftlichen Anpassungs- und Optimierungsstrategien vor dem Hintergrund von Markt- und Wettbewerbserfordernissen.« Die Diakonie-Manager könnten das Geschehen letztlich einseitig bestimmen. Die ungleichen Kräfteverhältnisse seien im »Dritten Weg« systembedingt. Die Alternative dazu: Verhandlungen auf Augenhöhe und von Gewerkschaften abgeschlossene Tarifverträge.

Daniel Behruzi