"Die Rückkehr des Sozialen in die Politik?": Ein Start, kein Endpunkt

Evangelische Kirche, Diakonie und ver.di ziehen sozialpolitisch weiter an einem Strang. Das ist das Ergebnis eines nunmehr einjährigen Diskussionsprozesses, der am Montag (9. März 2014) in der Französischen Kirche in Berlin seinen formellen Abschluss fand. In dem imposanten Gebäude hatten die Organisationen mit Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung vor ziemlich genau einem Jahr eine Serie von Fachtagungen zu den Themen Armut, Gesundheit, Pflege, Inklusion und Jugend begonnen.

Die Debatten unter dem Motto „Die Rückkehr des Sozialen in die Politik?“ waren produktiv und befruchtend – ungeachtet weiter bestehender Meinungsverschiedenheiten zu Tarifverträgen und zum Streikrecht in kirchlichen Einrichtungen. „Wir haben uns von diesem Konflikt nicht den Blick für unsere gemeinsamen Anliegen verstellen lassen“, sagte Prälat Martin Dutzmann, Bevollmächtigter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Man werde sich im Interesse der Menschen nach Kräften weiter gemeinsam engagieren. Jörg Kruttschnitt von der Diakonie Deutschland zitierte gar das Arbeiterlied „Wenn wir schreiten Seit ́ an Seit ́“ und betonte: „Wir ziehen beide an derselben Seite des Strangs, wenn es um die Wahrnehmung des Wertes der sozialen Arbeit in unserer Gesellschaft geht.“

ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler erklärte, die Veranstaltung sei „kein Endpunkt, sondern ein Start, weiter gemeinsam politisch unterwegs zu sein“. Sie betonte, das Gesundheits- und Sozialwesen basiere auf Zusammenhalt und Kooperation. „Es gibt gesellschaftliche Bereiche, in denen ist der Wettbewerb nicht die Lösung, sondern das Problem.“ Die lebhaften Diskussionen hätten viele gemeinsame Sichtweisen von evangelischer Kirche, Diakonie und ver.di offenbart.

Dabei geht es auch darum, durch die Bündelung der Kräfte mehr Einfluss auf die Politik zu gewinnen. Wie ernst diese das Bündnis von Kirche und Gewerkschaft nimmt, dokumentierte der Auftritt von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), die den Dialog und das gemeinsame Engagement ausdrücklich begrüßte. „Die Debatten um den Mindestlohn zeigen: Wenn man über die Rückkehr des Sozialen in die Politik nicht nur allgemein redet, sondern sie konkret umsetzt, kommen alte-neue Spaltungslinien sofort wieder zum Tragen.“ Sie sei beim Thema stur, denn: „Wem nützt ein Mindestlohn auf dem Papier, wenn er am Ende nicht bei den Leuten ankommt?“ Sylvia Bühler hatte die Ministerin zuvor aufgefordert, den gesetzlichen Mindestlohn gegen Attacken von Konservativen und Unternehmern zu verteidigen.

Nahles lud ver.di, Diakonie und Kirche zu Gesprächen über einen „Tarifvertrag Soziales“ ein. Damit stieß die Ministerin auch bei den anwesenden Diakonie- und Kirchenvertretern auf offene Ohren. Maria Loheide vom sozialpolitischen Vorstand der Diakonie Deutschland betonte, die Beschäftigten in Sozial- und Gesundheitseinrichtungen bräuchten „eine angemessene Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen, nur dann können sie zum Wohle der Menschen und der Gesellschaft arbeiten“.

Professor Gerhard Wegner vom Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD hob den kürzlich zwischen ver.di und Diakonie in Niedersachsen geschlossenen Tarifvertrag hervor. „In Niedersachsen sind wir einen wesentlichen Schritt gegangen – darauf bin ich stolz“, sagte er. „Das ist ein Weg, den wir unbedingt zusammen weiter gehen müssen. Denn es ist eine Investition in die Zukunft der sozialen Dienste.“

Für die weitere Zusammenarbeit gebe es „unglaublich viele Anknüpfungspunkte“, sagte Bühler. So hat ver.di die dringend notwendige Aufwertung der Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen auf die Tagesordnung gesetzt. Hierbei könnten Kirche, Diakonie und Gewerkschaft ebenso an einem Strang ziehen wie bei der Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums und der Forderung nach einer auskömmlichen Finanzierung des Sozialstaats und der Kommunen.

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