Altersarmut im sozialen Sektor Teilzeit verschärft den „Gender Pension Gap“
Altersarmut kann Menschen in allen Wirtschaftszweigen treffen. Besonders groß ist das Risiko aber dort, wo gut bezahlte und unbefristete Vollzeitstellen heute eher die Ausnahme als die Regel sind. Das gilt gerade für den Sozialsektor, wie eine aktuelle Studie von Florian Blank und Susanne Schulz (http://www.boeckler.de/52891_52902.htm) deutlich macht. Bei den Erzieherinnen und Pflegekräften verstärken sich ein relativ niedriges Lohnniveau einerseits und der hohe Anteil von Teilzeitphasen im Lebenslauf andererseits in ihren negativen Auswirkungen auf die Rente. Der Gender Pay Gap (die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern) verschärft sich auf diese Weise zu einem Gender Pension Gap (zu einer Alterssicherungslücke zwischen Frauen und Männern) von fast 60 Prozent. Die Aufwertung der sozialen Berufe, verbesserte Arbeitsbedingungen in den Sozial- und Erziehungsberufen und rentenrechtliche Reformen, die die Absenkung des Rentenniveaus stoppen, müssen gemeinsam der drohenden Altersarmut entgegen wirken. -> Sopoaktuell als PDF herunterladen.
Sechzig Prozent der Erzieherinnen arbeiten auf einer Teilzeitstelle oder im Minijob, in der Altenpflege sind es sogar fast 70 Prozent (67,7). Ausreichende oder gar zufriedenstellende Rentenansprüche erwachsen aus solchen Arbeitsverhältnissen selten, warnen die Experten der Böckler-Stiftung. Hinzu kommt: Stress und Belastungen im Arbeitsalltag nehmen in Sozialbetrieben dramatisch zu, eine längere Lebensarbeitszeit ist für den größten Teil der Beschäftigten keine realistische Option (Sonderauswertung DGB-Index Gute Arbeit 7/2012): Viele Beschäftigte in den Sozialberufen äußern Zweifel, ob sie bis zur regulären Altersgrenze durchhalten könnten.
Die Ökonomisierung des sozialen Sektors verstärkt gerade für die Frauen in den sozialen Berufen die Gefahr von Alterssicherungslücken, auf die ver.di seit Jahren hinweist. Sie zu schließen hat sozialpolitisch oberste Priorität (vgl. sopoaktuell 178).
Politische Handlungsnotwendigkeiten
Um Arbeitnehmerinnen im Sozialbereich vor Altersarmut zu schützen, müssen – darauf verweisen auch Blank und Schulz – vier Wege eingeschlagen werden:
1. Es bedarf einer Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe. Höhere Löhne brauchen eine solide tarifvertragliche Absicherung, deren Reichweite durch Allgemeinverbindlicherklärungen verbreitert werden könnte.
2. Verbesserte Arbeitsbedingungen – im Sinne „guter Arbeit“ – sind wesentliche Voraussetzung für ein höheres Arbeitsvolumen im Lebenslauf. Dafür muss vor allem die Personalbemessung in den Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern verbessert werden. Solange der Arbeitsdruck kontinuierlich steigt, werden Frauen in den sozialen Pflegeberufen Teilzeitarrangements wählen und vor dem Erreichen der Altersgrenze aussteigen.
3. Auch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch bessere Kinderbetreuungsangebote kann die Teilzeitquote in den Sozialberufen senken. Die politischen Anstrengungen in diesem Bereich sind unbedingt fortzusetzen.
4. Darüber hinaus ist die allgemeine Rentenpolitik gefragt. Die Absenkung des Rentenniveaus zurückzunehmen und die rentenrechtliche Aufwertung von Zeiten mit niedrigen Verdiensten sind zwei Forderungen, die durch die Studie der Böckler-Stiftung neue Nahrung erhalten.
Die Studie „Soziale Sicherung unter dem Brennglas – Altersarmut und Alterssicherung bei Beschäftigten im deutschen Sozialsektor“ von Florian Blank und Susanne Schulz ist als WISO Diskurs Januar 2015 erschienen. Die Studie „Gender Pension Gap – Entwicklung eines Indikators für faire Einkommensperspektiven von Frauen und Männern“ (herausgegeben vom Bundesfamilienministerium im Jahr 2012) ist auf der Homepage des BMFSFJ abzurufen. Sie zeigt die grundlegenden Zusammenhänge zwischen den Lebenseinkommen von Frauen und Männern und ihren unterschiedlichen Alterssicherungsrisiken auf.