„Ausschreibungen oft intransparent“
Ob Einrichtungen der Caritas eine Mitgliedschaft in der katholischen Kirche verlangen, ist nicht immer klar. Ein Gespräch mit Professor Michael Mroß
ver.di: Kirchliche Arbeitgeber können an Stellenbewerber/innen besondere Anforderungen stellen, zum Beispiel eine Kirchenmitgliedschaft. Sie haben die Ausschreibungspraxis der Caritas untersucht. Inwiefern macht der Verband von dieser Möglichkeit Gebrauch?
Michael Mroß: Er macht davon Gebrauch, allerdings vielfach nicht so, wie vom Gesetzgeber gedacht. So wird die Konfessionszugehörigkeit einerseits für Berufe gefordert, für die das nur schwer zu begründen ist. Andererseits wird bei anderen Tätigkeiten darauf verzichtet, wo dies eigentlich zu erwarten wäre. Hinzu kommt, dass die Ausschreibungen in dieser Frage oft intransparent sind.
Inwiefern?
In den Stellenausschreibungen von Einrichtungen der Caritas finden sich bezüglich der Konfessionszugehörigkeit drei Varianten: In etwa einem Drittel wird diese explizit vorausgesetzt, rund 26 Prozent enthalten dazu keine Angaben. Problematisch ist, dass in 41 Prozent der Fälle eine eher schwammige Formulierung gewählt wurde. Da heißt es zum Beispiel, die Bewerberinnen und Bewerber müssten sich „mit den Zielen der Caritas identifizieren“ oder „eine positive Einstellung zum kirchlich-caritativen Dienst“ haben.
Was ist daran so problematisch?
Man kann sich ja durchaus mit christlichen Werten wie der Nächstenliebe identifizieren, ohne Mitglied der katholischen Kirche zu sein. Bei solchen schwammigen Formulierungen werden die Bewerber völlig im Unklaren darüber gelassen, was das für ihr Arbeits- und Privatleben in der Praxis bedeutet.
Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen Tätigkeiten, die größeren Einfluss auf den sogenannten Verkündungsauftrag haben und solchen, für die das nicht gilt. Nur an Erstere kann der Arbeitgeber besondere Anforderungen stellen. Spielt diese Unterscheidung bei den Stellenausschreibungen der Caritas üblicherweise eine Rolle?
Zum Teil. In klaren Fällen wie in Kindertagesstätten wird fast durchgehend eine Mitgliedschaft in der katholischen Kirche verlangt. In anderen Bereichen ist die Ausschreibungspraxis viel weniger nachvollziehbar. So wird von Bewerber/innen in der Verwaltung und in der Hauswirtschaft in fast 40 bzw. 30 Prozent der Ausschreibungen die entsprechende Konfessionszugehörigkeit verlangt – obwohl sich das bei diesen Tätigkeiten ja nicht unbedingt erschließt. Erwarten würde man das hingegen bei Leitungsfunktionen. Dennoch spielt bei fast der Hälfte der Leitungsvakanzen die Konfession keine näher bezeichnete oder nur eine vage formulierte Rolle. Offenbar hängt das eher mit der Frage zusammen, wie schwierig es ist, qualifiziertes Personal zu gewinnen. Das ist in der Hauswirtschaft eben leichter als im Leitungsbereich.
Das heißt, ob eine Kirchenmitgliedschaft verlangt wird, hat eher mit dem Arbeitsmarkt zu tun als mit religiösen Motiven?
Ja, aber nicht nur. Zumindest spielt die Arbeitsmarktlage eine nicht unerhebliche Rolle.
Ist die von Ihnen untersuchte Ausschreibungspraxis kirchlicher Verbände überhaupt ein relevantes Problem? Beschäftigte können sich schließlich auch bei weltlichen Trägern bewerben.
In manchen Branchen und Regionen gibt es kaum Alternativen. Etwa zwei Drittel des Arbeitsmarktes in der sogenannten Sozialwirtschaft entfallen auf kirchliche Träger.
Ist das für Beschäftigte mit Migrationshintergrund – die vielfach nicht katholisch oder evangelisch sind – nicht ein besonderes Problem?
Durchaus. Wenn bei zwei Drittel der Stellen im Sozialwesen eine christliche Werteorientierung erwartet wird, stehen diese migrantischen Beschäftigten mit nicht-christlichem Hintergrund nicht zur Verfügung. Das gilt selbst für diejenigen, die sich mit christlichen Werten identifizieren können. Ihnen wird eine Beweislast auferlegt, die sie kaum erbringen können. Während Kirchenmitglieder ihre christliche Werteorientierung mit Vorlage der Lohnsteuerkarte „beweisen“ können – selbst wenn sie nur pro forma in der Kirche sind –, ist das für Migranten sehr problematisch.
Interview: Daniel Behruzi