Protest bei EKD-Synode in Düsseldorf: Beschäftigte wehren sich gegen „Rückfall in die Steinzeit“ und fordern Abkehr vom „Dritten Weg“

Seine Botschaft an die Kirchenoberen hat sich Andreas F. auf einem Schild um den Hals gehängt. „Dialog statt Diktat“, steht darauf. Gemeinsam mit mehreren hundert Kollegen aus allen Teilen der Republik demonstrierte der Hannoveraner Altenpfleger am Samstag (9. November) auf dem Marktplatz in Düsseldorf, wo zurzeit die Synode der Evangelischen Kirchen Deutschlands (EKD) tagt. „Wir erwarten, dass mit uns geredet wird und die Arbeitsbedingungen nicht mehr nach Gutsherrenart festgelegt werden“, sagte der 51-Jährige. Der „Dritte Weg“ kircheninterner Lohnfindung habe mit einem Dialog auf Augenhöhe nichts zu tun. Doch eben diesen Weg will die EKD mit neuen Kirchengesetzen zementieren, die der Synode zur Abstimmung vorliegen.

Auf Plakaten, Flugblättern, Postkarten und mit 17.000 Unterschriften brachten die Gewerkschafter ihre Forderungen in Düsseldorf auf den Punkt: „Keine Extrawurst – Tarifverträge, Betriebsräte, Streikrecht in Kirche und Diakonie.“ Sylvia Bühler vom ver.di-Bundesvorstand, die am Sonntag (10. November) auf offizielle Einladung an der Synode teilnimmt, bezeichnete die neuen Regelungen als absolut unzureichend und nicht akzeptabel „Mit den Gesetzentwürfen bleibt die evangelische Kirche weit hinter den Anforderungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu den Rechten der Gewerkschaften und zum Streikrecht zurück.“ Das BAG hatte das sogenannte Selbstordnungsrecht der Kirchen in einem Urteil vom 20. November 2012 zwar grundsätzlich bestätigt, zugleich aber unter anderem angemahnt, eine „koalitionsmäßige Betätigung der Gewerkschaften“ müsse gewährleistet sein.

Auf der Kundgebung kritisierte Wolfgang Cremer, Fachbereichsleiter im ver.di-Landesbezirk Nordrhein-Westfalen, die Synode wolle für die Beschäftigten von Kirche und Diakonie auch künftig nur ein „Arbeitsrecht zweiter Klasse“ festschreiben. So solle ihnen das Streikrecht weiter vorenthalten werden – in Widerspruch zum Grundgesetz und zu internationalem Recht. „Das ist für uns ein völlig unhaltbarer Zustand“, so Cremer. Auf den Ausspruch von Kirchenfunktionären „Gott kann man nicht bestreiken“ erwiderte er: „Gott kann man zwar nicht bestreiken, seine uneinsichtigen und fehlbaren Führungskräfte auf Erden aber schon.“

Bereits bewiesen haben das Thomas H. und seine Kollegen von der Stadtmission Heidelberg. Als der Belegschaft Anfang des Jahres ein diakonischer Billigtarif mit Kürzungen bei der Jahressonderzahlung und Überstundenzuschlägen aufgezwungen werden sollte, legten sie mehrfach die Arbeit nieder. Daraufhin trat das Management den Rückzug an und verhandelt nun mit ver.di über einen regulären Tarifvertrag. „Das zeigt: Es ist möglich, in der Diakonie etwas zu erreichen – wenn sich die Mitarbeiter zusammentun und ihre Rechte einfordern“, erklärte H.

Auch am Darmstädter Elisabethenstift wächst die Aktionsbereitschaft. „Wir haben die Schnauze voll, als Beschäftigte zweiter Klasse behandelt zu werden“, sagte Nicole H. Der Mitarbeitervertreterin zufolge liegen die Löhne in der Einrichtung rund zehn Prozent unter dem Tarifniveau des öffentlichen Dienstes. Empört ist sie zudem darüber, dass die kirchlichen Mitarbeitervertretungen (MAVen) weitaus weniger Rechte haben als Betriebsräte. Beispielsweise bei Rechtsstreitigkeiten sei man „der Willkür der Kirchengerichte ausgesetzt“. Edith H. von der MAV bei „Mission Leben“ in Mainz beklagt ebenfalls die Ungleichbehandlung. „Anders als in Privatunternehmen haben wir zum Beispiel keine Sitze im Aufsichtsrat. Daher sind wir von entscheidenden Informationen abgeschnitten.“ Aktuell würden die Entgelte in diversen Einrichtungen von „Mission Leben“ mit der Begründung wirtschaftlicher Notlagen abgesenkt, berichtete die 60-Jährige. „Aber die MAVen haben überhaupt keine Möglichkeit, die Angaben zu überprüfen.“ So habe „Mission Leben“ offenbar trotz angeblicher Notlagen noch genug Mittel, um weitere Einrichtungen zu eröffnen.

Ungeachtet der Kritik wollen die Kirchenfunktionäre ihre Extrawurst weiter braten. Vizepräses Klaus Eberl, der die 17.000 Unterschriften im Namen der Synode in Empfang nahm, behauptete in seiner Ansprache zwar, mit dem neuen Gesetz gehe die EKD auf die Gewerkschaften zu und stärke die Rechte der Beschäftigten. Eine Abkehr vom „Dritten Weg“ meinte er damit allerdings explizit nicht. In ausdauernden Sprechchören „Tarifvertrag, Tarifvertrag“ machten die Beschäftigten klar, das ihnen das längst nicht reicht.

Lothar Germer von der Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaften der Mitarbeitervertretungen und Gesamtausschüsse erklärte zur „Einladung“ der EKD an die Gewerkschaften: „Das ist, als würde Bayern München die Dortmunder Borussia zu einem Fußballspiel einladen, aber der BVB müsste mit Uli Hoeneß auf der Brust und zusammengebundenen Schnürsenkeln antreten.“ Die neuen Kirchengesetze seien kein Fortschritt, sondern „ein Rückfall in die Steinzeit“, betonte Germer. Für wie altertümlich sie die Kirchengesetze halten, machten auch rund 100 Diakonie-Beschäftigte aus Baden-Württemberg deutlich: Sie erschienen auf dem Düsseldorfer Marktplatz als in Ketten gelegte Sklaven.

- Daniel Behruzi -