Ver.di-Erfolg beim Bundesarbeitsgericht

Die Gewerkschaften dürfen auch in kirchlichen Einrichtungen zu Arbeitsniederlegungen aufrufen. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) am Dienstag in Erfurt bestätigt. Die Richter wiesen eine Klage der Diakonie ab, die unter Verweis auf ihr grundgesetzlich verbrieftes Selbstbestimmungsrecht ver.di dazu verpflichten wollte, Streikaufrufe an Kirchenbeschäftigte zu unterlassen. BAG-Präsidentin Ingrid Schmidt begründete die Entscheidung vor allem damit, dass die Gewerkschaften im sogenannten Dritten Weg der kircheninternen Aushandlung von Einkommens- und Arbeitsbedingungen nicht ausreichend einbezogen und dessen Ergebnisse nicht verbindlich seien.

„Das ist ein klarer Erfolg. Die Revision ist abgewiesen, Streiks sind möglich“, betonte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirkse in einer ersten Reaktion auf das Urteil. Keines der diakonischen Werke erfülle derzeit die vom Gericht genannten Voraussetzungen, die eine eventuelle Einschränkung des Streikrechts erlauben würden. In den von der Kirche eingerichteten Arbeitsrechtlichen Kommissionen bestehe „ein ausgeprägtes Machtgefälle“, stellte Bsirske fest. „Von einem fairen Aushandlungsprozess ist dieses Verfahren meilenweit entfernt.“ Von Verbindlichkeit könne ebenfalls keine Rede sein. In der Konsequenz seien Arbeitsniederlegungen zur Durchsetzung von Tarifverträgen daher rechtens.

Richterin Schmidt hatte zuvor zwar erklärt, dass sich das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen auch auf die Regelung der Einkommens- und Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten erstreckt. Zugleich betonte sie: „Die Beeinträchtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts durch einen Arbeitskampf ist nicht ausnahmslos rechtswidrig.“ Ein generelles Streikverbot, wie es die Kirchenoberen für die von ihnen geführten Unternehmen reklamieren, besteht also nicht. Ein solches Verbot gelte nur, wenn die Gewerkschaften in das Verfahren zur Aushandlung der Beschäftigungsbedingungen „organisatorisch eingebunden sind und das Verhandlungsergebnis für die Dienstgeberseite als Mindestarbeitsbedingung verbindlich ist“. Beides ist zurzeit indes nirgendwo der Fall.

Bsirske zeigte sich zuversichtlich, in nächster Zeit mit weiteren diakonischen Einrichtungen Tarifverträge abschließen zu können. „Im Bereich der Diakonie gibt es eine ganze Reihe verantwortungsbewusster Geschäftsführer, die diesen Fundamentalstreit nicht weiterführen wollen.“ In anderen Fällen, „in denen sich die Arbeitgeberseite eingräbt, um sich durch die Verweigerung von Tarifverträgen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen“, werde ver.di auch in Zukunft zu Arbeitsniederlegungen aufrufen.

Auch ver.di-Bundesfachbereichsleiterin Ellen Paschke betonte: „Wir dürfen in kirchlichen Einrichtungen streiken – und das werden wir auch tun, um Tarifverträge durchzusetzen.“ Ziel sei es letztlich, einen „Tarifvertrag Soziales“ zu erreichen, der allgemeinverbindliche Mindeststandards festschreibe. „Das würde Wettbewerb über Lohndumping ausschließen und dafür sorgen, dass die Konkurrenz stattdessen über die Qualität ausgetragen wird.“

Unklar ist, ob der Konflikt zwischen Kirchenmanagern und Gewerkschaft auch auf juristischer Ebene fortgesetzt wird. Ver.di sieht nach dem Abweisen der Arbeitgeberklage durch das BAG keinen Anlass, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. „Wir sind mit dem Urteil streikfähig. Wenn die Diakonischen Werke das anders sehen, müssen sie selbst das Bundesverfassungsgericht anrufen“, so Bsirske.

Vertreter verschiedener Parteien begrüßten das Urteil. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast nannte es „einen Schritt in die richtige Richtung“. Das Streikrecht dürfe für die rund 1,3 Millionen Kirchenbeschäftigten nicht pauschal ausgeschlossen werden. Die SPD-Politiker Wolfgang Thierse und Kerstin Griese erklärten: „Es muss jetzt ein Weg gefunden werden, der das Streikrecht mit dem 'Dritten Weg' vereinbart, denn das Streikrecht ist ein Grundrecht.“ Der Vorsitzende der Partei Die Linke, Bernd Riexinger, schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter: „Endlich! Streikverbot für kirchliche Arbeitnehmer fällt. Streiken ist ein Grundrecht. Jetzt muss auch das Streikverbot für Beamte fallen.“