Flugblätter vor dem St. Michael-Zentrum in Weiden für ein Tarifrecht

„Netzwerktreffen Alten- und Behindertenpflege Nordoberpfalz“ fordert Tarifrecht für kirchliche Einrichtungen

Thema des Netzwerktreffens ist das seit geraumer Zeit unter Kritik stehende arbeitsrechtliche Sonderrecht der Kirchen. Hierdurch wird bundesweit etwa 1. Mio Beschäftigten in tausenden kirchlichen Einrichtungen das Tarif- und Streikrecht verwehrt. Für den 20. November wird ein BAG-Urteil zu dieser Problematik erwartet. Über die Krise des kirchlichen Arbeitsrechts wurde in dem Pflegenetzwerk diskutiert. Über eine Flugblattaktion wurden Beschäftigte der Diakonie über den Gegenstand informiert. Zur Pressemitteilung.

Auf Einladung der Gewerkschaft ver.di trafen sich im Weidener Gewerkschaftshaus Arbeitnehmervertreter privater, freigemeinnützlicher, kirchlicher und kommunaler Träger stationärer oder ambulanter Einrichtungen der Alten- und Behindertenpflege, welche sich für die nördliche Oberpfalz zu einem gewerkschaftlichen Netzwerk der Alten- und Behindertenbetreuung zusammengefunden haben.

Thema des 8. Netzwerktreffens war vor allem das kirchliche Arbeitsrecht. Aus Sicht der Gewerkschaft ver.di ist der „sogenannte ‚Dritte Weg‘ eines eigenen Arbeitsrechts in die Krise geraten“. Gemäß diesen Modells, so ver.di-Sekretär Robert Hinke, werden die Arbeits- und Einkommensbedingungen nicht durch Tarifvertrag geregelt, sonder durch eigene Arbeitsvertragsrichtlinien. „Die Richtlinien werden zwar in paritätisch besetzten Kommissionen verhandelt, die Arbeitnehmerseite ist aber benachteiligt.“ Den gravierendsten Missstand sah der Verdianer aber in dem Umstand, dass die Kirchen ihren Mitarbeitern das Streikrecht verweigern. Das Bundesarbeitsgericht hatte, so Hinke, Tarifverhandlungen ohne Streikrecht als „kollektive Bettelei“ betitelt. „Die Wohlfahrtsverbände Diakonie und Caritas gelten in Deutschland als die größten Anbieter im Sozial- und Gesundheitswesen. D.h. bundesweit wird etwa 1. Mio. Beschäftigten in tausenden kirchlichen Einrichtungen ein Verhandeln ihrer Arbeitsbedingungen auf Augenhöhe verwehrt.“

Das System ‚Dritter Weg‘ bezog einige Jahrzehnte seine Legitimität aus der Übernahme der Tarifverträge aus dem Öffentlichen Dienst. Auf die seit Mitte der 90er Jahre veränderten Rahmenbedingungen, die Einführung von Wettbewerb und Kostenkonkurrenz hat aber dazu geführt, dass sich der „kirchliche Sonderweg für die Beschäftigten zunehmend als Sackgasse erweist“. Ausgründungen, Befristete Arbeitsverträge, Leiharbeit und die Flucht aus den eigenen kirchenrechtlichen Regelungen nimmt zu. Seit 2008 kam es bundesweit mehrfach zu Konflikten, erläuterte der Gewerkschafter, um der Dumpinglohnpolitik entgegenzutreten. „Wer sich als Arbeitgeber wie jeder andere benimmt“, pointierte Jens Gotthardt, Betriebsrat bei der AWO, „kann für sich keine Sonderrechte reklamieren“. „Das Streikrecht ist Menschenrecht und muss auch für die Altenpflegerin, die Kindergärtnerin, den Sozialarbeiter, die Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen gelten“, so auch Margunde Reiss, ver.di-Vertrauensfrau in der Diakonie Weiden. Ver.di hat bereits einzelne kirchliche Einrichtungen bestreikt und mehrere arbeitsgerichtliche Verfahren gewonnen. Für den 20. November wird ein Bundesarbeitsgerichtsurteil über das Tarif- und Streikrecht in kirchlichen Einrichtungen erwartet.

Heute wurde über eine Flugblattaktion vor dem St. Michael-Zentrum der Diakonie auf die Forderung nach Tarif- und Streikrecht in kirchlichen Einrichtungen informiert.

Gerade die Diakonie gilt als „Schwarzes Schaf“ in der Branche. „Statt gemeinsam mit ver.di und anderen Anbietern der Wohlfahrtsverbände für bessere Finanzierungs-, Arbeits- und Einkommensbedingungen einzutreten, wird in einer zunehmenden Anzahl diakonischer Einrichtungen Zuflucht zu Dumpingstrategien gesucht. Dies zeigte sich, so Hinke, in der Vergangenheit besonders drastisch im Schulterschluss mit privaten Konzernen, zur Verhinderung bzw. Begrenzung eines Mindestlohnes im Pflegedienst. „Gute Pflege bedarf gut ausgebildete, motivierte und fair bezahlte Arbeitnehmer“. Hieran wollen die Gewerkschafter des Netzwerkes arbeiten, verstärkt auch in kirchlichen Einrichtungen. Zur Pressemitteilung.

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