Leserbrief zu einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung

Leserbrief zu „Der Herr mag keine Streiks“, einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung von Matthias Drobinski

Die Situation in der Diakonie ist in der Tat durch Ausgründung und Lohndrückerei bestimmt. Im Gegensatz zur katholischen Kirche haben die Evangelische Kirche und die Diakonie die Lohnabsenkung für ihren Bereich öffentlich zum Programm erhoben. Bereits im Jahr 2005 erklärten die Evangelische Kirche Deutschland (EKD) und der Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland (VddD), dass sie den zu diesem Zeitpunkt neu verhandelten Tarifvertrag im Öffentlichen Dienst (TVöD) nicht übernehmen werden und eine Vergütung anstreben werden, die um 5 % unter der des TVöD liegt.

Diese Lohnabsenkung haben die diakonischen Arbeitgeber in den letzten Jahren mit Hilfe der Arbeitsrechtlichen Kommissionen durchgesetzt.. Die Arbeitnehmervertreter in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen haben die Erfahrung machen müssen, dass sie entgegen der warmen Worte zur „Dienstgemeinschaft“ keine gleichberechtigten Verhandlungspartner sind und eben nicht auf Augenhöhe verhandeln können. Ende 2010 haben 9 von 11 Arbeitsgemeinschaften der Mitarbeitervertretungen (AGMAV), die bundesweit die diakonischen MAVen repräsentieren, daraus die Konsequenzen gezogen und erklärt, ihre Mitarbeit in diesen Kommissionen einzustellen. Zumindest in der Diakonie kann man nicht, wie Matthias Drobinski schreibt, davon ausgehen, dass „fast alle Arbeitnehmervertreter der Kirchen für diesen dritten Weg sind“. So ließen sich auch gar nicht die zahlreichen betrieblichen Proteste und nicht zuletzt auch die jüngsten Streiks in diakonischen Einrichtungen in Hamburg und Niedersachsen erklären. Es ist schon eine Art „Kulturkampf“ zwischen den Werten heutiger mündiger Arbeitnehmer und denen vorgestriger Gutsherrenmentalität.

Erhard Schleitzer
Vorstand der AGMAV Hessen Nassau und Mitglied der Bundeskonferenz der AGMAVen.