Lohndumping bei Caritas und Co. - Beispiel Bistum Berlin
Beispiel Bistum Berlin
Im finanziell klammen Erzbistum Berlin arbeiten die zwölf katholischen Krankenhäuser inzwischen mit mindestens einer eigenen Leiharbeits- oder Servicefirma, ebenso der größte Träger der Altenhilfe und der Caritasverband des Erzbistums. Eine Entwicklung, die Andreas Jaster, Mitglied der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes aus Berlin, scharf kritisiert. „Das einzige Ziel dieses Geschäftsgebarens ist, die Löhne zu drücken. Man will sich durch diese Ausgliederung von Beschäftigten Wettbewerbsvorteile verschaffen. Für den einzelnen Mitarbeiter bedeutet jedoch Angestellter einer Servicegesellschaft zu sein, die Verschlechterung seiner Lebensverhältnisse.“
Was bedeutet das konkret? Das Franziskus Krankenhaus in Berlin Mitte/Tiergarten ist ein eher kleineres Krankenhaus mit rund 300 Mitarbeiter/innen. Es wird von einer Ordensgemeinschaft der Franziskanerinnen seit 1908 geführt. Noch zu Beginn der Jahrtausendwende galten die AVR, die allgemeinen Vertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes, für sämtliche Mitarbeiter/innen. Der Standardtarif der Caritas orientierte sich ursprünglich am BAT, über einen Zeitraum von über 30 Jahren wurde dieser mit einer zeitlichen Verzögerung stets übernommen.
Doch seit 2006 arbeiten im Franziskus Mitarbeiter/innen, vor allem im Empfang, in der Krankenhausküche und im technischen Bereich, die weit unter Tarif entlohnt werden in der trägereigenen Franziskus-Klinik-Servive GmbH. „Ich kenne ein paar dieser Arbeitsverträge aus eigener Anschauung: Das ist Ausbeutung. Die Löhne setzt der Geschäftsführer nach eigenem Ermessen fest. Und wer mit dem Stundenlohn von 8,00 Euro brutto in der Küche nicht zufrieden ist, kann nur versuchen, persönlich mit dem Chef mehr auszuhandeln.“ Durch die unterschiedlichen Gehaltsniveaus im Krankenhaus kommt es dazu, dass Mitarbeiter/innen zwar die gleiche Arbeit verrichten, aber unterschiedlich hoch dafür entlohnt werden. Die Regelvergütung nach AVR beträgt je Stunde abhängig von der Betriebszugehörigkeitsdauer 9,43 bis 10,73 Euro für Küchenhilfen.
Ein Umstand, den Mitarbeitervertreter Jaster empörend findet. Doch die Mitarbeitervertretung des Hauses, die MAV, hat rechtlich keine Möglichkeiten, auf die Arbeitsbedingungen in der Franziskus-Klinik-Service GmbH Einfluss zu nehmen. Ein vom Orden gegründeter eingetragener Verein ist Alleingesellschafter dieser Servicegesellschaft, damit ist sie rechtlich unabhängig vom Krankenhausträger, der selbst nach dem kirchlichen Arbeitsrecht des Dritten Weges geführt wird. „Nur, wenn mir jemand seinen Arbeitsvertrag persönlich zeigt, habe ich Einblick, was dort geschieht“, sagt Mitarbeitervertreter Andreas Jaster, „Transparenz ist nicht gewünscht“.
Pikant im Falle des Franziskus: Der Geschäftsführer des Krankenhauses ist zugleich Geschäftsführer der Servicegesellschaft. Offensichtlicher kann Outsorcing nicht sein.
In einer größeren kirchlichen Einrichtung in Berlin, dem St. Joseph-Krankenhaus im Bezirk Tempelhof, arbeiten rund 1.200 Beschäftigte. Fast die Hälfte des gesamten Personals, das lässt sich aus den Bilanzen des Trägers ableiten, sind bei der hauseigenen Leiharbeitsfirma Auxilia GmbH und weiteren trägereigenen Servicegesellschaften beschäftigt. Die Auxilia hält das gesamte berufliche Spektrum der Mitarbeiterschaft vor – vom Arzt über die Krankenschwester bis zum Wirtschaftspersonal. „Aus internen Quellen wissen wir, dass die Ärzte bei der Auxilia keine wesentlichen finanziellen Nachteile haben. Bei ihnen scheint es eher um die Einschränkung ihrer Mitbestimmungsrechte zu gehen, die sie als Beschäftigte der Muttergesellschaft hätten“, sagt Mitarbeitervertreter Jaster. Andere Berufsgruppen der Auxilia wurden jahrelang nach dem so genannten Bolero-Tarif der inzwischen juristisch nicht mehr als Gewerkschaft anerkannten Christlichen Gewerkschaft Zeitarbeit (CGZP) entlohnt. Heute wendet die Auxilia den Zeitarbeitstarif des DGB (BZA) an. Dieser liegt in etwa 20 Prozent unterhalb des Tarifniveaus der AVR.
Erzbistumsweit sind rund 2500 Mitarbeiter/innen kirchlicher Einrichtungen in solche Billig-Gesellschaften ausgegliedert. Auch der Caritasverband selbst hat seine Belegschaft zum Teil in eine Servicegesellschaft ausgelagert.
Wie massiv dieses Instrument zur Kosteneinsparung in Berlin, Brandenburg und Vorpommern von katholischen Einrichtungen inzwischen angewendet wird, lässt sich aus den Mitarbeitermeldungen zu den Wahlen der betrieblichen Interessenvertretungen (MAV) ablesen. Diese finden in einem Turnus von vier Jahren statt.
Danach hatte das St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof 1997 noch 1.103 kirchlich beschäftigte Mitarbeiter/innen. 2009 waren es nur noch 589. Im Dominikus-Krankenhaus in Berlin Reinickendorf waren es 2001 noch 681 kirchlich beschäftigte Mitarbeiter/innen. 2009 waren es nur noch 236. Dort wurde allerdings nach einem Trägerwechsel 2010 mit der Liquidation der Leiharbeitsfirmen begonnen.
In den Hedwigs-Kliniken in Berlin waren es 2005 noch 1565 kirchlich beschäftigte Mitarbeiter/innen. 2009 waren es nur noch 893.
Der Caritasverband für das Erzbistum Berlin arbeitete 2005 noch mit 1.350 kirchlich beschäftigten Mitarbeiter/innen. 2009 waren es nur noch 984.
Wichtig: In all diesen Einrichtungen gab es während dieser Zeitspanne keine wesentlichen strukturellen Veränderungen, es wurden keine medizinischen Abteilungen geschlossen.
Derzeit läuft eine Umfrage zur Leiharbeit im Erzbistum. Bis zum Sommer sollen die Ergebnisse vorliegen.
Mitarbeitervertreter Andreas Jaster ist überzeugt, dass dieses Outsorcing kirchenrechtlich nicht zulässig ist. „Es setzt die Gremien des Dritten Weges unter Druck. Man zeigt uns, dass man andere Mittel hat, Tarife zu gestalten, wenn wir nicht gefügig sind. Das ist eine Art Aussperrung. Man umgeht das eigene System der Arbeitsrechtsetzung auf dem Dritten Weg. Dadurch macht man sich unglaubwürdig.“
Bis Ende 2013 sollen alle katholischen Einrichtungen entscheiden, ob sie die Grundordnung für den kirchlichen Dienst anwenden oder wie weltliche Unternehmen handeln wollen – das ist offizielle Verlautbarung der Deutschen Bischofskonferenz. „Unser neuer Erzbischof Woelki sagt, er will, dass der Dritte Weg eingehalten wird“, sagt Jaster. Einige Betreiber der Einrichtungen, Orden, Stiftungen und Vereine, würden jedoch lieber heute als morgen die AVR Caritas abschaffen, ist sich Jaster sicher. „Wenn Erzbischof Woelki mit dem Lohndumping Schluss machen will, dann werden auch Personen auf der Ebene der Macher ausgewechselt werden müssen“, so Jaster.
Uta von Schrenk